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Mittwoch, 26. Oktober 2011

TBoUT - Vieh Chroniken




Das lang erwartete Se... ähh.. Prequel

Im April 2009 erschien damals eine Art Überraschungshit für Point- and Clickadventurefreunde. "The Book of Unwritten Tales" hieß der Fantasyableger und wartete mit spannender Geschichte, sympathischen, teils verrückten Charakteren, netten Rätseln, guten Vortonungen, professionellem Design und vor allem einem super Humor darauf in die Herzen der Spieler überzugehen: mit Erfolg!
Und so wartete man seitdem geduldig auf einen Nachfolger, der Anfang Oktober 2011 nun endlich erschien.
Aber ein Nachfolger ist nicht ganz draus geworden - eher ein Prequel. Oder Addon. Also ein Prequel-Addon.
Warum der noch ziemlich unbekannte aus Bremen kommende Entwickler "KING Art" uns Spieler sowohl zu Tränen als auch zu Jubelstürmen führt, verrät der Test.



Bekannte Gewässer

Was man ja so von Nachfolgern kennt und fürchtet, sind die allseits bekannten "Verschlimmbesserungen". "Never change a running system!" heißt es doch so schön unter Informatikern - und die lieben Entwickler haben sich auch fein dran gehalten: zu Beginn der netten Geschichte spielt ihr direkt den aus dem ersten Teil bekannten Helden "Nate", der als Dieb bekannt ist und ebenso ein Luftschiff gestohlen hat. Ihm auf den Fersen ist die orkische Kopfgeldjägerin Ma'Zaz. Ebenso spannend wie gut fällt der Einstieg auf: nicht überladend viele Areale locken zum Entdecken ein - dabei orientieren sich die Steuerung und etwaige Hilfestellungen am modernen P&C-Adventurestandard. Man kann das Spiel quasi nur mit der Maus spielen: mit Linksklick interagiert ihr & mit Rechtsklick betrachtet ihr die Hotspots. Bei der Interaktion zeigt meist ein Icon was damit gemacht werden kann: Betrachten, Aufnehmen, Sprechen oder Benutzen. Ausgewählt wird es ganz automatisch, sodass oldschool-angestaubte Dinge wie "Rede mit..." oder "Öffne..." zugunsten des Spielspaßes wegfallen. Zumindest finde ich, dass es das Spiel weitaus intelligenter und unterhaltender macht als sich mit überflüssigen Dingen wie "Welche Aktion passt jetzt zu dem gewünschten Ergebnis?" herumzuschlagen.
Den Spielfluss erhöhen tut auch noch eine andere Sache: sobald man für den Spielverlauf unerhebliche Hotspots ausreichend betrachtet hat, fällt selbiger einfach weg und man kann damit nicht mehr interagieren (ähnlich wie in der "Black Mirror"-Reihe). Eine zusätzliche Vereinfachung ist die Tatsache, dass Gegenstände, die ihr miteinander kombinieren wollt, immer nur dann die Funktion "Kombinieren" ermöglichen, sobald es auch sinnvoll ist.
Einen Fisch mit einer Socke zu verbinden, geht nicht - das Spiel gibt einfach die Möglichkeit nicht frei und liefert somit auch nicht überflüssige Sprüche wie "Das verstehe ich nicht..." oder Ähnliches vom Band.
Leider sind das mit der optional verwendbaren Hotspotanzeige Dinge, die Adventurehardcorefans sauer aufstoßen - weil sie einfach das Spiel zu leicht machen.
Und gerade das verkürzt die Zeit, die ein jeder braucht, um bis zum Abspann zu kommen - leider erlaubt sich die "Vieh Chroniken" einen schwerwiegenden Fehler: nach rund 6 Stunden ist selbst auf dem zweiten (von 2) Schwierigkeitsgrad "Schwer" schon Schluss.
"Schwer" bietet noch ein paar mehr Rätsel und eine abgeschaltete "Hotspotanzeige", dafür aber alle anderen Vereinfachungen.
Schade ist es deshalb, da die "Vieh Chroniken" unglaublich gut sind und eine ähnliche Sucht verursachen wie der Vorgänger.



Geliebtes allertollstes Vieh, warum bist du nur so doof?

Ein weiterer Nachteil sind die wenigen Locations, die das Spiel bietet. Um es mal auf den Punkt zu bringen (und nebenbei auch zu spoilern): Nate stürzt mit seinem Luftschiff ab und landet irgendwie am Nordpol. In genau diesem Areal seid ihr dann quasi die kompletten 5 Kapitel über - bis auf einen Ausreißer. Dabei gibt es immer dieselben kaum veränderten Locations, die ihr immer wieder abgrasen müsst.
Abgesehen davon sind sie aber gut designt - eine Mischung aus 3D (Objekte und Figuren) als auch 2D (vorgerenderte Hintergründe) macht das Spiel aus.
Doch Herzstück sind dabei die sehr lustigen Dialoge und Charaktere.
So treffen wir beispielsweise einen verrückten Wissenschaftler, der einen Yeti hinterherjagt und ihn sogar Persönlichkeit (Gerissenheit, Teufelsähnlichkeit) beimisst. Er jagt ihn selbst und hat sich sogar ein Yetikostüm gebastelt. Doof nur: sobald er stolpert, kommt seine zweite Persönlichkeit durch: der Yeti selbst zu sein! Dann knurrt der kostümierte Mensch und stellt eine echte Bedrohung dar. Sterben könnt ihr in diesem ruhigen Adventure aber niemals.
Oder ein Baby-Vieh, was sämtliche Sätze nachspricht - und sogar die Stimme identisch imitieren kann. Sobald ihr ein Gespräch mit ihm beendet, folgt eine Nachrichtensprecheransage aus seinem Mund "Und nun: zurück zum Sport!" - herrlich!
Oder eine durchgeknallte Tieraktivistin namens Petra, die eigentlich so gut wie garnichts isst, Tiere befreit - auch wenn sie danach ohne an eigene Nahrungsbeschaffung gewohnt jämmerlich verrecken.
An seltsamen Charakteren ist also gesorgt - und sie wurden gewohnt professionell vertont.
Wie aber schon der Titel verlauten lässt, geht's hier hauptsächlich um einen netten heimlichen Star des ersten Teils: das sogenannte Vieh.
Wie auf dem Cover zu sehen gibt es mehrere - der gemeinte Held ist der ganz rechts. Vom Aussehen her stark an "Die Muppets" erinnernd kann es - entgegen seiner anderen Artgenossen - nur Kauderwelsch sprechen. "Palupup" oder Ähnliches ist nicht nur befremdlich, sondern auch niedlich - und komisch. Aber leider nur begrenzt - zumindest ich hatte Horrorvorstellung als ich damals vom geplanten Titel dieser Fortsetzung hörte. "WAS? Das gottverdammte Viech als Hauptcharakter? Um Himmels Willen... nein..." - und ich wurde teilweise beruhigt: ihr spielt ab dem zweiten Kapitel auf Wunsch abwechselnd Nate oder das Vieh - und müsst gemeinsam Aufgaben lösen.
Leider geht aber viel Wortwitz verloren, wenn ich dem lilanen Zottelviech nur beim Grunzen zuhöre.

Aber dennoch gibt es viele lustige Seitensprünge zu berühmten Titeln wie "Star Wars", "Simpsons", "Day of the Tentacle / Maniac Mansion" oder sogar "Portal". Nur leider ist auch die Geschichte zwar gut gemacht, aber dass Munkus einen Kristall der Viecher zur eigenen Waffenproduktion mopsen will und Nate zum echten Helden entpuppt, da er helfen will...äh...muss, ist nur bedingt spannend. Man merkt, dass nach dem Spiel noch kein Ende mit der Serie ist, dies aber nur ein größeres Addon ist. Die Rätsel sind zwar ganz nett (hin und wieder Minispiele), aber nicht wirklich fordernd - und der Teammemberwechsel zwischen Vieh und Nate geht nicht so flüssig vonstatten - vor allen Dingen, wenn komplette Inventarinhalte zwecks Trial &  Error ausgetauscht werden, muss jeder Gegenstand einzeln übertragen werden (inklusive Abwarten der Animation).



Sonstiges:
  • allein der Ladescreen ist schon ulkig: anstatt beim Ladebalken Dinge zu beschreiben wie "Lade Texturen", "Greife auf den Cache zu" oder "Character Models werden geladen" stehen alberne Dinge wie "Werfe Konfetti..." oder "Blase Ballons auf..."
  • Cutscenes laufen in Ingame-Spielgrafik ab, Texte kann man schrittweise wegklicken (super für Schnellleser)
  • per Doppelklick läuft man nicht, der Protagonist wählt es entsprechend der Entfernung
  • das Inventar ist am unteren Bildschirmrand und klappt beim Hinmanövern auf
  • mittels "Doppelklick" auf Szenenwechsel, löst ihr auch direkt diesen aus und müsst somit nicht warten bis der Charakter dorthin gelatscht ist
  • die Grafik hat sich meines Erachtens nicht verbessert (das war aber auch nicht nötig)


Fazit:
"Die Vieh Chroniken" ist ein professionelles, sehr lustiges & mit guten Sprechern aufwartendes modernes, aber auch in den Grundfesten am P&C orientierendes Adventure. Nur leider steht es natürlich im direkten Vergleich mit dem Vorgänger, der eigentlich die Geschichte danach erzählt - und muss sich auch Kritik gefallen lassen.
Für ca. 30 € warten lediglich rund 6 Stunden auf euch - wobei ihr immer wieder dieselben Locations seht. Die Geschichte ist gut - aber überzeugte mich nur als Lückenfüller. Unvergesslich sind dabei die skurillen Charaktere wie der Wissenschaflter oder das Baby-Vieh.
Apropros "Vieh": dieses Kauderwelsch-sprechende Ding als einen der Protagonisten zu etablieren wäre fast schief gegangen - ein Glück rettet der wortgewandte und coole Nate nochmal die Allgemeinsympathie.
Also bitte, liebe Entwickler: nicht mehr auf irgendwelche durchgeknallten Fans hören und Euphorielaunen wie "JA GEIL, DAS VIEH IS JA VOLL DER BURNER!" hören - der Wortwitz geht flöten und bietet Slapstick als nicht ganz so passenden Ersatz. Das könnt ihr besser - und zwar auch in 2,5 Jahren, nur eben mit mehr Inhalt und coolen Hauptcharaktern!

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